Sie kennen den Begriff «Embrace Marketing» noch nicht? Wir können
Sie beruhigen. Embrace Marketing ist weder ein neuer Marketing-
Hype noch ein theoretisches Modell, welches bereits an allen
Elite-Universitäten gelehrt wird. Aber es ist eine Bezeichnung für
ein Phänomen, dem Sie sich künftig nicht mehr entziehen können,
wenn Sie erfolgreiches Marketing betreiben möchten.
Embrace bedeutet «umarmen». Embrace Marketing somit «Umarmen Sie Ihre Kunden» – was soll das?
Die Aufforderung, Ihre Kunden zu umarmen, ist in der heutigen Zeit zu verstehen, in der extreme Kundennähe zu DEM Erfolgsfaktor geworden ist. Versuchen Sie, einmal ganz abstrakt, sich dieses Bild vor Augen zu führen.
Aus der Begegnung wird eine Beziehung
Bevor Sie eine Person umarmen, müssen Sie diese Person zuerst kennen lernen. Bei der ersten Begegnung schütteln Sie noch ganz formal die Hände und begrüssen sich in der «Sie-Form». Je nach Absicht der Begegnung tasten sie sich langsam aneinander heran. Sie stellen ein paar unverfängliche Fragen, tauschen Nettigkeiten aus und versuchen, sich etwas besser kennen zu lernen.
Schon bei der zweiten Begegnung sind Sie schon viel offener, schliesslich kennt man sich und begrüsst sich, sofern man sich noch erinnert, sogar mit Namen.
Je öfter Sie die Person treffen, desto mehr wissen Sie von ihr. Sie erfahren manchmal viel, z.B. über die Familie, den Beruf oder das soziale Umfeld. Manchmal treffen sie sich nur ganz kurz und da bemerken Sie höchstens die neue Haarfarbe oder den Stil der Kleidung. Je öfter Sie dieser Person begegnen, desto vertrauter wird sie Ihnen.
Weiterhin treffen werden Sie die Person aber nur, wenn die Chemie wirklich stimmt und sie beide die gleichen Interessen besitzen. Dann wird es interessant (gleiches Wort wie Interesse) für beide und es besteht die Chance, dass sie zu Freunden werden, die beginnen, alles miteinander zu teilen, sich bei jeder Gelegenheit auszutauschen, Dinge zu empfehlen, gemeinsam in den Urlaub zu fahren und sich gegenseitig zu Paten-Onkel oder -Tanten zu machen. Dies ist die höchste Stufe der Freundschaft.
Der Freundeskreis verändert sich laufend
Freunde bleiben sie aber nur, wenn die Interessen weiterhin gleichbleiben. Sobald sich die Prioritäten verschieben, z.B. bei der Geburt eines Kindes, werden beide sich neue Freunde suchen. Oder kennen Sie kinderlose Paare, in deren Freundeskreis sich fast ausschliesslich Paare mit Kindern befinden? Und was bedeutet dies nun für Sie? Eigentlich fünf Dinge:
- Überlegen Sie sich genau, mit wem Sie befreundet sein möchten.
- Verkaufen Sie Produkte, welche die Freunde schätzen.
- Pflegen Sie die Freundschaft
- Reagieren Sie auf veränderte Interessen
- Geben Sie Beziehungen auf, wenn sich die Interessen zu stark verschieben.
Die richtigen Kunden finden
Überlegen Sie sich genau, mit wem Sie befreundet sein möchten, denn eine genaue Zielgruppendefinition die Voraussetzung für Ihren Erfolg.
Siehe dazu: Ansätze zur Segmentierung von Zielgruppen
Sie werden kaum auf die Strasse gehen und alle umarmen. Deshalb gilt es, genau zu überlegen, wer zu Ihnen passt. Wen möchten Sie als Freund oder Freundin gewinnen? Wie müsste eine Person sein, damit sie Ihre Wellenlänge besitzt und damit Sie sich vorstellen könnten, diese Person zu umarmen?
Wie soll Ihr ideale Kunde aussehen?
Dies ist kein Aufruf, all Ihre Kunden zu umarmen. Aber ein Aufruf, sich wieder einmal zu überlegen, wie Ihre idealen Kunden aussehen sollten. Den meisten von Ihnen wird dieser Aufruf lästig erscheinen. Wir wissen doch, welche Kundengruppen wir ansprechen!
Ist dies wirklich der Fall?
Nehmen wir mal Ihre aktuellen Kunden: wie viel Vor- und Nachnamen fallen Ihnen ein? Wie viele davon würden Sie spontan umarmen? Wie viel würden Sie als Freunde bezeichnen?
Früher war es anders. Vor 20 Jahren z.B. waren Messen noch einzigartig, da sich hier eine der wenigen Gelegenheiten bot, in direkten Kontakt mit Kunden zu treten. Messen waren die wichtigsten Orte, Kundenbeziehungen zu pflegen. Damals waren es selbstverständlich, mit guten Kunden am Abend essen zu gehen (heute ist dies, wie wir noch sehen werden, schon recht schwierig).
Gerade im B2B-Bereich waren und sind vermutlich auch heute noch, gute Kunden richtige Partner, die sich schätzen, sicherlich auch Mal um einen Preis feilschen, dann aber gemeinsam auch anstossen und Feste feiern. Früher war das einfacher, als die Geschäftsinhaber noch die Eigentümer waren. Diese Patrons hatten ein eigenes Selbstverständnis – sie waren aber nicht bestechlich, da ein schlechter Deal sich auf das Wohl ihrer Firma auswirkte.
Deshalb mussten die Deals für alle stimmen. Heute gehören den Chefs die Firmen nicht mehr, weshalb auch Anti- Korruptionsgesetze notwendig sind. Deshalb sind aber auch richtige Freundschaften seltener geworden, da ihnen immer auch der Hauch des Filzes anhaftet.
Und trotzdem rufe ich Sie auf, Ihre Kunden zu Freunden zu machen – embrace your customer. Nur wenn Sie Ihre Kunden aus diesem Blickwinkel betrachten, werden Sie Embrace-Marketing betreiben können. Embrace-Marketing heisst nämlich auch ehrliches Marketing, und ehrlich bedeutet, dass man:
- Freunde nicht belügt
- ihnen keine schlechten oder mangelhaften Produkte verkauft
- ihnen hilft, wenn sie aus Ungeschicklichkeit etwas kaputt gemacht haben
- sich beeilt, wenn sie auf etwas warten
- sich regelmässig mit ihnen austauscht
- auf ihre Bedürfnisse eingeht
- und stolz ist, sie Freunde nennen zu dürfen.
Vielleicht entgegen Sie jetzt, von Freunden alleine kann mein Geschäft nicht überleben. Da gebe ich Ihnen recht. Mit den Freunden alleine nicht. Mit den Freunden der Freunde aber schon. In der heutigen Zeit der sozialen Medien teilen Freunde auch gute Erfahrungen. Und Empfehlungen von Freunden werden viel stärker beachtet als jede Werbung, welche Sie selbst platzieren.
XING macht Netzwerke sichtbarer
Am Beispiel von XING ist dies sehr schön ersichtlich. Momentan zählen 516 Personen zu meinen Kontakten. Das ergibt bereits ein Potenzial von 216 000 Personen, denen ich mitteilen kann:
«He, wir kennen doch beide die Person XY. Er zählt schon seit 2 Jahren zu meinen Kunden, weshalb ich auch Sie zum nächsten Tag der offenen Tür einladen möchte».
Und die Kontakte 3. Grades übersteigt die zwei Millionen Grenze – genug Potenzial für meine Firma, wenn ich es etwas klever anstelle.
Messen haben ihre Bedeutung verloren.
Nicht zuletzt deshalb, weil es heute viel einfach möglich ist, direkt mit Lieferanten, Partnern und Kunden in Kontakt zu treten. Das bedeutet aber auch, diese neuen Möglichkeiten zu nutzen und das Marketing entsprechend anzupassen. Denn die Pflege der Kunden ist heute genauso wichtig, wie früher. Nur dass es jetzt dazu viele neue Instrumente gibt.
Doch kommen wir nochmals zurück zur Ausgangsüberlegung. Mit wem möchten Sie befreundet sein, wen möchten Sie zu Ihren Kunden zählen?
Egal ob Geschäftsleute oder Privatpersonen. Alle bringen gewisse Erfahrungen mit und Sie müssen sich überlegen, wen Sie speziell ansprechen wollen. Welche Eigenschaften, Einstellungen, Wertvorstellungen und Motive sollen diese Personen besitzen? Welche soziodemografischen Eigenschaften, welche Gruppenzugehörigkeiten? Um diese Fragen beantworten zu können, gilt es, zu überlegen, was genau sie eigentlich anbieten. Welches sind Ihre Kern-Produkte und mit welchen Dienstleistungen unterscheiden Sie sich von Ihren Mitbewerbern? Welche Philosophie liegt hinter Ihrem Geschäftsmodell?
Lesen Sie dazu den «Quick-Check Geschäftsmodell».